Die Auswahl des richtigen Gebisses

So findest Du das richtige Gebiss für Dein Pferd

einhändige Zügelführung
Auch die Heeresdienstvorschrift 12 hatte die einhändige Zügelführung zum Ziel

Die Frage nach dem besten oder mildesten Gebiss ist eine pauschal aus meiner Sicht nicht zu beantwortende Frage, ohne sich mit mehreren Faktoren und Ausbildungsmethoden zu beschäftigen.
Es spielen einfach zu viele “lebende” Faktoren in diesem Spiel mit:

  • Der individuelle Ausbildungsstand eines Pferdes (Balance und Gleichgewicht, Hilfengehorsam, Versammlungsfähigkeit etc.)
  • Anatomische Faktoren
  • Maulspalte des Pferdes
  • Zähne des Pferdes
  • Die Psyche des Pferdes – (Vorlieben/Abneigungen für Materialien)
  • Reitweise des Reiters (einhändig oder beidhändig)
  • Ausbildungsstand des Reiters (z.B. Zügelunabhängiger Sitz)

Während die meisten Ausbilder und Reiter die einfach gebrochene Wassertrense für das beste und mildeste Gebiss halten, bezeichne ich dieses gerne, als das Gebiss, was statistisch gesehen sicherlich den “in der Anzahl meisten” Pferden, Schäden physisch und psychisch angedeihen lässt. Will heißen – es leiden wohl mehr Pferde unter falscher Einwirkung einer Trense, als unter dem Martyrium einer Kandare.
Die meisten Reiter haben eine sehr handbetonte und damit zügelbetonte Reiterei beigebracht bekommen.
Studien haben belegt, dass enorme Kräfte im Pferdemaul ankommen und wirken. Selbst bei jenen Reitern, die eine “weiche” Anlehnung anstreben und eventuell sogar von sich selbst nicht einmal behaupten würden am Zügel zu “ziehen”, herrschen Krafteinwirkungen von bis zu 12,5 kg.

“So blieben die Zügelkräfte bei Iberischen- oder Westernreitern fast immer unter dem Messwert
von 1 kg und schnellten nur bei ganzen Paraden kurzfristig auf 2–5 kg. Hingegen wurden bei
manchen Dressurreitern schon im Schritt dauerhafte Kräfte um 2 kg gemessen. In
verschiedenen Lektionen und bei ganzen Paraden herrschten Kräfte bis zu 12,5 kg und mehr
pro Zügel… “
“…Stellt der Reiter aktiv eine feine Zügelanlehnung her, indem er diesen nur gerade
straff hält, wird die Zunge schon mit mehr als 4 kg belastet.
Aus den Untersuchungen geht hervor, dass die in der Reitlehre geforderte feine, gleichmäßige
Anlehnung praktisch nicht existiert. Die vom Reiter vermeintlich präzisen Zügelhilfen in weicher
Anlehnung enden im Pferdemaul als diffuse Signale, die sich pro Sekunde mehrmals
verändern. “
Bakkalaureatsarbeit im Studiengang Pferdewissenschaften – von Friederike Uhlig – Wien, Februar 2009

Durch die Verteufelung der Kandare, bis in unseren umgangssprachlichen Wortschatz (Jemanden an die Kandare nehmen) wurde der Wassertrense eine, als persé anzusehende “Milde” angedichtet. Es mag sicherlich richtig sein, dass bei in gleichem Maße falsche Anwendung, im Vergleich beider Gebissarten, die Kandare mehr Schäden zufügt, als die Trense.
Ein falsche Anwendung bleibt aber eine falsche Anwendung – und die Wurzel des Übels wird nur selten beseitigt.
Zu jeder Zeit und in jeder angewandten Reiterei war das Ziel der Reitausbildung immer die einhändige Zügelführung, bei Zügelunabhängigem Sitz. Dieses “zwingend” zu erreichende Ziel findet heute leider selten bis gar nicht mehr statt.

Wir reduzieren bereits vom Start an, den Anspruch an den Lernenden, sein Können “nicht zwingend” auf ein Niveau bringen zu müssen, auf dem er eine einhändig gerittene Kandare führen kann, ohne ein Pferd zu verletzen. Wir haben ja die “milde” Trense, die beidhändig geritten den meisten Reitern genügt – den Anspruch an Pferd und Reiter und deren Ausbildung haben wir generell heruntergeschraubt auf ein Mindestmaß.
Selbst die sportlichen Vergleichswettbewerbe erlauben es “unerfahrene Reiter auf unerfahrenen Pferden” an den Start zu gehen und sich auf einem Level – das sogar ausgewiesenermaßen als “nicht komplett ausgebildet” gilt – im Sinne der Brot und Spiele Mentalität ins “Kräfte-Messen” einzusteigen.

Die Ansprüche an Pferd und Reiter auf unteren Klassenniveaus entsprechen nicht der kompletten Ausbildungsskala – denn der Punkt Versammlung wird erst auf höheren Niveaus abgefragt – unabhängig davon, dass wir reelle Versammlung und Losgelassenheit selbst auf GrandPrix Niveaus kaum noch präsentiert bekommen)
Das Leitmotiv der “Kandarenreife” macht absolut Sinn – kein Reiter sollte ohne eine “Reife” die Kandare auch führen zu können, diese unbedacht in ein Maul eines Pferdes schnallen und das womöglich ebenfalls “nicht kandarenreife” Pferd mit diesem “Werkzeug” malträtieren.

Die Kandarenreife war aber immer ein Prüfstein, in einer “zwingend” zu komplettierenden Ausbildung – sie war nicht eine unerreichbare oder gar nur eventuelle “Möglichkeit” der Weiterbildung, für besonders Begabte oder Fans bestimmter Reitweisen – sie war so etwas, wie eine zwingende Abschlussprüfung für Pferd und Reiter.
Kein Reiter oder Pferd hätte die Ausbildung beendet bevor die Kandarenreife nicht erreicht worden wäre.
Heute schulen wir unerfahrene Reiter, auf unerfahrenen Pferden und lassen beide, sich gegenseitig, auf der arg so milden Wassertrense “schädigen”.
Die Trense ist allerdings ein Werkzeug, für bestimmte Anwendungsfälle – so wie die Kandare auch.

Eine Trense ist von jeher vor allem ein Ausbildungsgebiss – die Realität die auch heute noch idealerweise vorherrschen sollte:
– > ein erfahrener Ausbilder bildet ein Pferd aus – nicht ein Reitschüler.

Will heissen ein Reiter, der keine Kandarenreife hat, sollte kein Pferd auf Trense ausbilden – hört sich komisch an oder?
Soll jetzt ein Reitschüler sein Pferd besser auf Kandare reiten? Nein – Gott bewahre – Nein!
Ein Reitschüler ohne Kandarenreife sollte GAR KEIN PFERD AUSBILDEN – er sollte auf einem komplett ausgebildeten Pferd das Reiten erlernen!
Ein voll ausgebildetes Pferd mit Kandarenreife einem Reitschüler zu geben – und dieses auf Trense zu reiten – kein Problem.
Die Trense hat bestimmte Vor- und Nachteile. Ein Vorteil einer Trense ist es, dass die Zügel unabhängiger voneinander genutzt werden können – ohne dass das Gebiss “verkantet” – doch in der Realität geht es dabei gar nicht so sehr, um die unterschiedliche Nutzung der Zügel durch den Reiter – sondern “durch” das Pferd. Bei einem Verwerfen, Entziehen etc. kommt es ebenfalls zu unterschiedlichen Zügellängen und unterschiedlichem nicht gewolltem Zug. Der ausgebildete Reiter mit ausbalanciertem Zügelunabhängigen Sitz kann nun schnell reagieren und weiter “ausbilden”.
Aus meiner Sicht sind bewährte Methoden vor allem in Kombinationszäumungen zu suchen.
Der Kappzaum – Cavecon – bietet die Möglichkeit die Verwendung der Zügel und des Zügelunabhängigen Sitzes zu erlernen, ohne eine falsche Signalgebung oder gar Gewalt “im Maul” in Kauf nehmen zu müssen.
In den Reitschulen und Verbänden muss ein Verantwortungsgefühl zurückkehren, dass Ausbildung von Reiter und Pferd kein “Schnellverfahren” quasi “toGo” ist und leider seine Zeit braucht. Die Akzeptanz für “halbe Sachen” auf dem Rücken (und im Maul) der Pferde muss abgelegt werden.

Es reichen keine 10 Longenstunden (Resultat der 10er Kartnesysteme), um Reiter darauf zu schulen anschließend selbst Hand anzulegen und Pferd mit der gar nicht so milden Wassertrense, eigenständig in die Reitbahn zu entlassen.

Ende Part 1 – weitere Artikel sind in Planung

Die sinnvollen und weniger sinnvollen Pferd-Reiter-Kombinationsmöglichkeit sind wie folgt:

  • Kandare & gut ausgebildetes Pferd (Kandarenreif) + gut ausgebildeter Reiter (Kandarenreif) --> (gut)
  • Kandare & unausgebildetes Pferd (nicht Kandarenreif) + gut ausgebildeter Reiter (Kandarenreif) --> (nicht gut)
  • Kandare & unausgebildetes Pferd (nicht Kandarenreif) + unausgebildeter Reiter (nicht Kandarenreif) --> (sehr schlecht) – diese Kombination sollte es nicht geben
  • Trense & unausgebildetes Pferd (nicht Kandarenreif) + gut ausgebildeter Reiter (Kandarenreif) --> (gut)
  • Trense & ausgebildetes Pferd (Kandarenreif) + unausgebildeter Reiter – (nicht Kandarenreif) --> (gut)
  • Trense & unausgebildetes Pferd (nicht Kandarenreif) + unausgebildeter Reiter (nicht Kandarenreif) --> (schlecht) – diese Kombination sollte vermieden werden

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weitere interessante Artikel zum Thema Gebisse und Gebisslose Zäumungen für das Pferd

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3 Meinungen zu “Die Auswahl des richtigen Gebisses

  1. Sime2405 sagt:

    Guten Tag,
    ich stutze gerade beim Lesen dieser Zeile “Kandare = unausgebildetes Pferd (nicht Kandarenreif) + unausgebilder Reiter Kandarenreif -> (sehr schlecht) – diese Kombination sollte es nicht geben”. Der unausgebildete Reiter ist doch nicht kandarenreif?

    Und sonst?
    Erfahrener Reiter auf unerfahrenes Pferd,
    unerfahrener Reiter auf erfahrenes Pferd.

    So habe ich das mal gelernt- aber natürlich nicht erlebt. Ich hatte die Reitstunden, die es vor 40 Jahren eben gab…

    Aber ich lese auf dieser Homepage Viel Richtiges.
    Freundliche Grüße

    • Chris Debski sagt:

      Hallo – Danke für den Kommentar – Da hatte sich in der Tat ein Fehlerteufel eingeschlichen – dieser ist nun aber korrigiert. Es muss natürlich wie folgt lauten:
      “Kandare & unausgebildetes Pferd (nicht Kandarenreif) + unausgebilder Reiter (nicht Kandarenreif) –> (sehr schlecht) – diese Kombination sollte es nicht geben“

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