Der Reitmeister Federigo Grisone

Federigo Griso oder auch Federigo Grisone (* 1507; † 1570)

Der adelige Federigo Grisone eröffnete 1532 eine der ersten uns bekannten Reitschulen für höfische Reitkunst in Neapel und begründete damit die “italienische Schule”.

Im Italien der Renaissance gab es mit Sicherheit auch vor Grisone viele Reitakademien, dennoch ist über diese wenig bekannt, aber durch den enormen Stellenwert der Reitkunst zu dieser Zeit ist durchaus anzunehmen, dass die Reitkunst auch andernorts mit enormer Präzision gelehrt und ausgeübt wurde. Das von Federigo Grisone gegründete Reitinstitut wurde allerdings schnell zur damals wohl einflussreichsten Reitschule und weit über die Tore Neapels hinaus bekannt. Grisone selbst galt als ein Meister seiner Zeit, und seine von ihm gelehrten Trainingsmethoden hatten einen großen Einfluss auf die Ausbildung von Pferden der Renaissance. Einer seiner Schüler schrieb über ihn:

“Von Anfang an scheint es, dass jedes Pferd seinem Signal folgt, so dass diejenigen, die zuschauen, erstaunt sind.” – Pasquale Caracciolo, La Gloria del Cavallo

Er beeinflusste viele nicht minder berühmte Schüler zutiefst und so wurden seine Lehren und Theorien z.B. von Giovanni Battista Pignatelli und seinen Schülern Salomon de la Broue und Antoine de Pluvinel auch nach Frankreich verbreitet.

La gloria del Cavallo
La Gloria del Cavallo

In dem Buch von Pasqual Caracciolo, La Gloria del Cavallo (1589), wird der Reiter Grisone beschrieben. Die Pferde sollen ihm schon beim ersten Besteigen perfekt gehorcht haben, was die Umstehenden so begeistert haben soll, dass sie seine Ratschläge wie andere den Rat des delfischen Apolls gesucht hätten.

Das erste Buch über die Reitkunst der frühen Neuzeit

Grisone schrieb auch das erste Buch zur Reitkunst, das im frühneuzeitlichen Europa veröffentlicht werden sollte. Er wird daher in der Literatur auch als Begründer der “neuzeitlichen” Reiterei bezeichnet – eine Ehre die ihm aufgrund seines literarischen Werks zut teil wird – denn er selbst war sicherlich nicht “Neuerer” auf dem Gebiet der Reitkunst – allerdings sollte sein Buch entsprechenden Einfluss auf die Nachwelt haben. Seine Reitlehre Ordini di Cavalcare erschien 1550. Grisones Buch ist allerdings keine Reitlehre im heutigen Sinn, sondern mehr eine umfassende und detaillierte Beschreibung mit dem gesammelten Wissen über Pferde, Reitkunst, Zäumungen, Hufbeschlag und Pferdemedizin. Über die Reitkunst vor 1500 gibt es kaum schriftlichen Quellen und vor der Veröffentlichung von Ordini di Cavalcare befassten sich die meisten schriftlichen Abhandlungen mit Krankheiten und Heilmitteln. Wenige Werke enthielten rudimentäre Informationen über die Zähmung und Ausbildung des Pferdes, meist ohne spezifische Anleitung über die Reiterei. Die Menschen in der Zeit vor der Renaissance hatten wenig Interesse an der Beschreibung der für sie “alltäglichen” Dinge, wie die zum Alltag gehörende “Reitkunst”. Diese Ansicht änderte sich mit aufkommen der Renaissance und man begann, sich dem Studium der Literatur und der Verfassung von mit der Darstellung der Wirklichkeit auch in enzyklopädischen Werken zu beschäftigen. So beschäftigte sich Grisone auch mit dem griechischen Reitoberst Xenophon. Lange Zeit waren die Werke von Xenophon in Vergessenheit geraten. Federico Grisone nimmt sich ein Vorbild an Xenophon und seinen Theorien und baut sie in seine Lehren ein bzw. entwickelt sie weiter. So trug er das Wissen seiner Zeit aus eigener Erfahrung und von anderen zusammen. Er selbst gilt damit als Verfasser des ersten ausführlichen Buches über die Reiterei, sieht sich aber selbst als Beschreiber und Bewahrer, nicht als Neuerer. Das Werk zur Reitkunst war ein Bestseller seiner Zeit. Zwischen 1550 und 1623 wurden einundzwanzig italienische Ausgaben gedruckt weitere fünfzehn übersetzte Ausgaben wurden auf Französisch, sieben auf Deutsch, eine auf Spanisch und sechs auf Englisch veröffentlicht. Die frühesten von diesen, “The arte of ryding and breakinge greate horses” ist eine gekürzte und angepasste Übersetzung von Thomas Blundeville, welche auf Vorschlag von John Astley erstellt und veröffentlicht wurde. Diese enthält auch Drucke aus dem Original 1560 und ist das früheste englischer Sprache erschienene Buch über die Reitkunst . Die schnelle Verbreitung des Werkes und die vielen Nachdrucke beweisen die große Bedeutung der Reitkunst für seine Zeitgenossen.

Künstlicher Bericht und allerzierlichste Beschreybung des edlen
Künstlicher Bericht und allerzierlichste Beschreibung wie die streitbarn Pferdt zum Ernst und ritterlicher Kurzweil geschickt und vollkommen zu machen – erschien 1570

Grisones Werk erschien 1570 in Augsburg in deutscher Übersetzung und war weit verbreitet. Der Titel der deutschen Ausgabe lautet: “Künstlicher Bericht und allerzierlichste Beschreibung wie die streitbarn Pferdt zum Ernst und ritterlicher Kurzweil geschickt und vollkommen zu machen” (herausgegeben durch Johann Fayser)

Leider wurde die deutsche Übersetzung nicht 1:1 entsprechend dem Vorbild des Originals aufgebaut – und so änderte Johann Fayser die Reihenfolge der Kapitel, fügte Texte hinzu und auch die Kupferstiche wurde eigens für dieses Werk erstellt. Fast zeitgleich mit Grisones “Gli ordini di cavalcare” erscheint in Venedig Fiaschis Werk “Trattato del Imbrigliare, Attegiare & Ferrare Cavalli”. Weitere Werke mit ähnlichem Inhalt erscheinen in kurzer Folge. Sie sind nicht Vorläufer einer aufblühenden Reitkunst sondern spiegeln den hohen Stand dieser Kunst um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Italien. Das sie überhaupt in hunderten Exemplaren gedruckt und schnell in andere Sprachen übersetzt werden zeigt, dass in ganz Europa ein vielversprechender Markt vorhanden war. Fiaschi versucht, eine enge Verbindung zwischen Reitkunst und Musik herzustellen. Er durfte zu seiner Zeit mit musikalisch gebildeten Lesern rechnen, die seine Notenbeispiele verstehen konnten.

Grisone wurde berüchtigt für die Gewalt gegen die Pferde

Das Werk Grisones ist leider über die Jahre ausschließlich auf die, durchaus nicht zu verschweigende, grausame und brutale Gewalt die den Pferden zugefügt werden “kann” und soll reduziert worden. Zitat:

„Wenn Dein Pferd stehenbleibt oder rückwärts geht, stelle einen Mann hinter ihm auf, der auf einen langen Stock eine böse Katze so gebunden hat, dass sie mit dem Bauch nah oben im freien Gebrauch ihrer Krallen und ihres Gebisses ist. Der Mann soll die Katze dicht an die Schenkel des ungehorsamen Pferdes halten, damit sie kratzen und beißen kann“.

Andere Beispiele seiner grausamen Methoden schließen lebende Igel unter dem Schwanz des Tieres ein, bestrafen ein Pferd indem man den Kopf des Pferdes unter Wasser, bis zu dem Punkt des Ertrinkens zwingen, wenn es sich zeigte jede Angst, Wasser zu überqueren.

Es sollte allerdings ebenfalls angemerkt werden, dass Grisone auch sagte, dass ein “Reiter mit guter Disziplin diese Dinge niemals benutzen wird, weil er die Wirkung ohne sie mit seiner eigenen Tugend und auf andere Weise erreichen wird.” Es darf auch nicht vergessen werden, dass man Grisones Werk im Lichte der Zeit sehen muss. 1542 wurde z.B. die römische Inquisition eingeleitet und deren bekanntestes Opfer “Galileo Galilei” wird erst rund 80 Jahre (!) nach Grisones Buch verurteilt.

Der Alltag der Menschen zu Grisones Zeit dürfte nicht nur für Pferde “kein Zuckerschlecken” gewesen sein. Manch Pferd dürfte besser behandelt worden sein, als viele Menschen. Abseits der expliziten “erwähnten” Gewalt vertritt Grisone einen Umgang mit dem Pferd, der durchaus als vernünftig zu bezeichnen ist.

An vielen Stellen empfiehlt er dem Reiter seinem Pferd “schön zu thun”, es also zu loben:

Auf dem allen sollt tu wissen/ das derjenige so ain Pferdt/ mit denen straffen/ die jedem irrtum insbesonders gebuern/ recht zu straffen weis/ und zu rechter Zeit seine hilff zu geben/ dieselbigen zu mehren oder zu mindren/ nach dem es die not und gelegenhait erfordert/ und im auch wais zu rechter zeit schön zu thun/ sich wol in dieser kunst einen berümten Reutter nennen mag.

Wer Grisone auf die Gewalt in seinem Buch reduziert, tut diesem Werk durchaus in vielerlei Hinsicht Unrecht, denn wie der folgende Auszug beweist, lag ihm das Wohl der Pferde durchaus am Herzen.

“Der Stall soll am tag wol gerainiget sein/ des nachts aber soll es haben eine gute Strew von gutem Stro oder grobem Hew bis zu seinen knien. Des morgens frue soll die strew widerumb auffgehebt/ und sein Rugken/ Schenkel/ und alle Glider wol und sauber gewischt werden. Zum ersten mit stro/ darnach mit einem Strigel. Und wann es gewonet/ soll man es darnach sanftiglich zu einen wasser fueren/ das es trink. Es ist im auch gar gut/ das es morgens und Abents gehalten werd in sueßem oder Meerwasser bis an seine Knie. Demnach soll das Pferd nit gan in sein stall/ bis seine Schenkel wol drucken worden seind. “

Und auch der Reitlehrer Grisone wusste durchaus um die Wichtigkeit des Mauls des Pferdes und dass dieses sorgsam zu behandeln ist:

„Wenn du ein übel erzogenes Pferd bekommst, so reite es mit viel Aufmerksamkeit und so, als ob du einen Vogel in der Hand hieltest.“

Leider muss man auch sagen, ist das Buch heute wegen seiner altertümlichen Sprache sehr schwer zu lesen. Mit Sicherheit auch ein Grund warum sich der schlechte Ruf Grisones in Bezug auf die Gewaltanwendung hält, denn die meisten Autoren von Büchern über die Geschichte der Reiterei werden selbst das Werk wohl gar nicht erst gelesen haben und besser von anderen Autoren deren Meinung übernommen haben. Dass das Werk durchaus anwendbare Anleitung zur Reitkunst enthält ist so eher nicht bekannt geworden.

Waren die Kandaren Grisones wirklich Folterinstrumente?

Kandare aus dem Werk Federigo Grisones
Kandare aus dem Werk Federigo Grisones “Oridini di cavalcare”

Des Weiteren erlangte Grisone unrühmliche Bekanntheit bezüglich der durch Unwissenheit als “Folterinstrumente” bezeichneten Kandaren Leider ist das Wissen über die Kandaren und ihre Anwendung zu jener Zeit fast komplett in Vergessenheit geraten. Beschäftigt man sich eingehender mit den mit höchster Präzision und Kunstfertigkeit gestalteten Kandaren so wird schnell klar, dass der Gebrauch der selbigen nur auf Reiter bedrohlich wirkt, die die leider heute übliche Verwendung von Zügeln und Gebissen durch permanenten Zug mit oftmals hohem Kraftaufwand (falsch verstandene Anlehnung) im Kopf haben. Die vielfältigen Formen der abgebildeten Kandaren erweisen sich alle als Pellham, eine ungebrochene Kandare kannte Grisone scheinbar nicht. Handhabt man die abgebildeten Gebisse allerdings korrekt in der damals üblichen Art der Verwendung (mit leicht durchhängenden Zügeln), so wirken sie vor allem in erster Linie bzw. sogar “ausschliesslich”, durch ihr alleiniges Gewicht und sind sie für das Pferdemaul wesentlich angenehmer, als die heutige oft permanente Krafteinwirkung auf doppelt gebrochene Wassertrensen.

Zur Beizäumung junger Pferde legte Grisone ein sogenanntes Capezona, eine Art Reithalfer, das mit Zügeln verbunden ist und sich bei deren Annahme zusammenzieht.

“Denn ein guter,erfahrener Reiter wird einem Pferd alles lehren in freiem, ebenen Feld mit leichten Hilfen. Wenn das Pferd all dies gelernt hat so magst du das zweite Zügelpaar (das direkt am Mundstück befestigt wurde) abnehmen und die Hand wie zuvor mit ruhiger, sanfter Kontaktaufnahme führen, damit es das Gebiss annimmt und sich nicht darauf legt. Sobald es im Genick nachgibt, kürze die Zügel und wenn du befindest, dass es den Kopf und die Stirn wie gewünscht trägt bedarf es nichts anderes als dabei eine ruhige Hand zu haben. .. dann wird sich das Pferd selbsständig wunderbar tragen und mit großer Feude das Gebiss annehmen.”

Das Reiten nach Federigo Grisone

Die Reitregeln beziehen sich  ausdrücklich auf die Kunst, das Pferd “für den Gebrauch des Krieges” auszubilden und auf die Geheimnisse, seine Laster zu “korrigieren”. Im Gegensatz zu Xenophon legte Grisone aber Wert auf die Trabarbeit. Der Trab war Xenophon nur in Form eines Überganges zwischen Schritt und Galopp bekannt. seine Erkenntnis war, dass die Trabarbeit die Hinterhand des Pferdes stärkt. Zur damaligen Zeit hatte der Trab noch keinerlei Bedeutung. Man konzentrierte sich eher auf den Galopp. Grisones idealer Reitplatz sieht natürlich gänzlich anders aus, als heutige Reitplätze.

Er trainierte die Pferde zunächst auf einem gepflügten Feld auf dem andere Pferde zuvor bereits eine Hufspur markiert hatten. Auf diese Weise sollten die Pferd dazu gebracht werden, einen möglichst korrekten Weg zu gehen, um die Schwierigkeiten zu vermeiden, auf losem Boden zu gehen. Mit dem Fortschreiten des Trainings sollte dann ein flacher Graben benutzt werden, um ihn zu einem noch anstrengeren Pfad zu zwingen. Grisone beschrieb einige grundlegende Trainingsübungen, die aus Volten in beiden Richtungen bestehen, abwechselnd mit einer geraden Linie, an deren Ende das Pferd anhalten sollte, um eine halbe Umdrehung auszuführen und zur selben geraden Linie zurückzukehren. Federigo Grisone wies auf das wichtige Zusammenspiel der Hilfen des Reiters hin und legte Wert auf den “Hankenbug” (heute: Hankenbeugung). Die Hankenbeugung trainierte er z.B. indem er seine Pferde rückwärts den Hang hinaufritt. Ebenso stellte er fest, dass Reiten im Kreis die Hankenbeugung fördert und schließlich war er es, der diesem Kreis den Namen „Volte“ verlieh. Schulsprünge wie die Kapriole sind bei Grisone ebenfalls bekannt und teils zuerst beschrieben.

Federigo Grisone online lesen

Hier kann man das Buch von Federigo Grisone online lesen: https://books.google.de/books?id=C-Q9AAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false Quellen: Reitlehre.de, wikipedia.de, equivox.de

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