Warum Reitsport keine Reitkunst sein kann

*** Reiten bei der Olympiade und Goldmedallien für Deutschland in der Dressur *** gute Nachrichten?

– warum es leider kein gutes Zeichen für die Pferde ist

Der folgende Text soll explizit nicht als Kritik an den Ritten der Prüfungen gelten – sondern als Kritik an der Art und Weise, wie Pferde dazu ausgebildet wurden, zu „siegen“ – oder sagen wir besser ihre Reiter, denn die Pferde haben nichts zu gewinnen.

Die Prüfungen sind jene die zählen, jene die Gold bedeuten – nicht der Weg dorthin. Bewertet wird nicht die Ausbildung, nicht die freundliche Art und Weise und der Umgang mit dem Pferd vor oder nach der Prüfung, sondern die Präsentation vor den Massen im Viereck.

Viele Reiter bedienen sich leider schon lange nicht mehr pferdefreundlichen Methoden.

Die Medaillen und Siege sind die Legitimierung einer zweifelhaften Reitweise – warum sollte auch jemand umdenken oder etwas ändern, pferdegerechter oder -freundlicher Reiten? wenn am Ende Gold um den Hals gehängt wird? Der Sport vergisst in Deutschland alles drumherum und sonnt sich mit den “Siegern” im Lichte des Metalls. Die Nachahmer und Bewunderer haben die Legitimation als “Erfolg” vor Augen und strafen jegliche Kritik Lügen. Welche Kritik will man äußern, wenn die “offiziellen” das Mass setzen und das Wohl der Pferde “bis zum Treppchen” vergessen wird? Wettbewerb sollte nicht mit Pferden gemacht werden – es ist absolut menschlich “Gewinnen” zu wollen, es ist menschlich Grenzen für den Sieg überschreiten zu wollen – wer dann auch noch siegen MUSS – weil sein berufliches Leben davon abhängig ist, wird noch schneller zu Mitteln greifen die den Sieg bringen – was erlaubt ist wird gemacht… was nicht erlaubt wird wird ggf. “probiert”. Wenn andere gewinnen mit unfairen Methoden, muss man mitmachen, muss man doch gewinnen.

Das Wohl der Tiere kann dann nur noch maximal zweitrangig sein. Es geht nicht mehr um die Pferde… im Reitsport … sie sind austauschbar… die meisten werden vergessen und sind “weg”… wenige bleiben in Erinnerung.

Wer die Reitkunst liebt – für den gibt es nur einen Kritiker – der ist unter dem Sattel und dem ist das Gold egal… der Stolz und die Anmut der Reitkunst ist nicht messbar – nur fühlbar.

In letzter Zeit gehen auch viele Aufschreie durch die Medienlandschaft bezüglich fragwürdiger Methoden in der Welt des Pferdesports.

Ich möchte keine diese Verfehlungen im speziellen auswählen, niemanden explizit erwähnen oder an den Pranger stellen.

Es macht das Ganze zu minimierend – es sind nicht einzelne – nicht jene auf die man mit dem Finger zeigen muss.

Sondern das gesamte „System“ Pferdesport.

Die Verfehlungen sind nicht zu entschuldigen und doch sind sie „menschlich“ und haben System, man hätte sie kommen sehen können, man lebt seit Jahren mit Ihnen und es sind Geister die man rief – es ist „menschlich“ was dort passiert.

Die Redewendung, dass etwas menschlich ist wird in der Regel abschwächend und entschuldigend genutzt – ich möchte sie hier absolut „so nicht“ verstanden wissen. Es gibt „Verfehlungen“ die zum Menschen gehören, die in uns wohnen, wo Menschen sich messen, da wollen sie gewinnen, werden erzogen zu gewinnen, wo es etwas zu gewinnen gibt, da wird es Ehrgeiz geben, Neid und eben „Verfehlungen“ die nicht zu entschuldigen sind.

Wer eine Chance sieht zu gewinnen, wird sie nutzen, wer nicht gewinnt wird enttäuscht werden.

Es ist menschlich. Mit allen Freuden und Tränen, mit Jubelschreien und Eifersucht, Wut und wenn es sein muss -> Gewalt.

All das gehört zum „Wettbewerb“ – Brot und Spiele – so alt wie die Welt. Der zweite ist bereits der erste Verlierer.

Die Menge bejubelt die Sieger – selten gönnt man als Verlierer dem Gewinner den Sieg. Ja es gibt Ausnahmen – diese sind jedoch selten.

Wenn neben Ruhm und Ehre auch noch Geld und Sponsorenverträge „auf dem Spiel“ stehen ist der Leistungsdruck unermesslich hoch.

Kein Profireiter kann es sich „leisten“ für Ruhm und Ehre zu starten – kein Sponsor wird Geld geben für Ritte auf den hinteren Rängen – die aber „schön“ waren.

Niemand wird einem ein Pferd für Millionen stellen, kaufen, um dann zu sagen:

„Sie müssen nicht gewinnen! – zeigen sie einfach nur dass es auch anders geht.

Halten Sie sich nicht an die Regel – wenn sie das Gefühl haben die Piaffe ist heute nicht schön – dann zeigen Sie doch einfach mal einen „schönen“ Spanischen Schritt – oder wenn ihr Pferd rückwärts galoppieren kann – dann zeigen sie doch das.“

Wer sich ein Fußballspiel 10-jähriger ansieht, weiß wie menschlich „der Kampf“ um „Nichts“ sein kann. Eigentlich gibt es ausser Tabellenplätzen und Ruhm und Ehre kaum etwas zu gewinnen und doch es wird gefoult, geschlagen, bespuckt, geweint, man lässt sich extra fallen, um einen Strafstoss zu erlangen und zur Not läuft Mutti oder Papi zum Schiedsrichter meckert diesen aus, wenn es ganz schlecht läuft gibt es auch mal eine Ohrfeige. Es sind „menschliche Prozesse“ – Verfehlungen – wir Menschen wollen gewinnen. Kaum jemand betreibt Leistungssport „um dabei zu sein“.

In den meisten Sportarten „kämpfen“ Menschen aber gegen Menschen.

Doch Sport wird eben auch mit Pferden „betrieben“ – Wettbewerb von der Führzügelklasse bis zum Grandprix bei Olympia.

Diese edlen und so sensiblen Geschöpfe haben sich bereits nicht ausgesucht „Ihre Zeit mit uns zu verbringen“ und können sie uns trotzdem schenken – für viele Pferdebesitzer macht das Pferd ihr Leben wertvoller, manche machen die Pferde sogar zu besseren Menschen. Sie können trösten, sie können helfen seelische Wunden zu heilen, sie können so viel mehr – man gewinnt ohne sich zu messen.

Zum Reiten gehört aber auch unfassbar viel Demut, Selbstkontrolle, sich selbst im Griff zu haben. Reiten ist ein lebenslanger Prozess, kann zu Kunst werden die nicht gemessen werden kann – es ist Kunst um der Kunst willen.

Reiten sollte kein Wettbewerb sein.

Den Vorbildern mit den Goldmedaillen wird man nun wieder nacheifern – ihre Methoden kopieren, Grenzen austesten – höher, weiter, schneller, effektiver werden – die Pferde haben wieder verloren. Die Methoden werden angewendet – nicht nur in den sogenannten “hohen Klassen” – nein auch die jungen Reiter in den Sportvierecken ländlicher Reitvereine kopieren ihre Vorbilder und Idole – jene die gewinnen – normal.

Reiten sollte kein Wettbewerb sein – Sport kann keine Reitkunst sein.

Kunst ist nicht messbar.

“Reiten heißt nicht vor Publikum nach Erfolgen haschen!
Reiten ist der alltägliche Dialog mit dem Pferd in der Einsamkeit
und heißt, das gemeinsame Streben nach Vollkommenheit!“

(Nuno Oliveira)

Der Reitsport hat ein Problem, dass die Kunst für fast alle Teilnehmer “nicht vorzeigbar” macht. Das ist für Verfechter der “Sportart” schwer zu verstehen oder einzusehen. Es gewinnt jener, der nach den Regeln der Richter, deren Sehgewohnheiten, deren Mode, deren Gunst reitet. Das muss nicht pferdegerecht sein – leider.
Dieses Problem ist nicht neu, hat nich erst seit Rollkur Einzug gehalten – das gab es bereits vor vielen Jahren.

Dazu ein kleiner Auszug aus Jean-Claude Racinets Buch “Baucher – Enfant terrible oder Genie?”:

„Anlässlich der Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles wurde Reiner Klimke gefilmt, als er mit einem jungen Pferd einfach um der Sache willen arbeitete und ebenso, als er Ahlerich in der Prüfung ritt. Der erste Teil war schlicht ein Genuss. Sein Stil war geschmeidig, leicht, tatsächlich jenem von Nuno Oliveira sehr ähnlich. Dann kam Ahlerich, die offizielle Prüfung und der zweite Teil des Films: Man konnte denken, dass es sich um einen anderen Reiter handelte. Dieser „andere” Reiter gewann Gold. Das war alles, worum es ging.

…Derselbe von mir soeben erwähnte berühmte deutsche Reiter und der französische Meister Michel Henriquet (der als der ausgezeichnetste Vertreter Nuno Oliveiras in Frankreich gilt) hatten einst eine jener heißen Diskussionen, wie sie nur Reiter führen können. Als Henriquet in jeder Hinsicht seinen Standpunkt durchsetzen wollte, sagte sein olympischer Gesprächspartner einfach:

„Sie haben wahrscheinlich Recht. Aber mein Problem ist: Am nächsten Samstag muss ich auf einem Turnier starten.”

Jean-Claude Racinet

(Francois Baucher enfant terrible oder Genie)


zu dem obenstehenden Blogartikel passen auch unsere Sprechstunden Frag die Krischkes: