Das korrekte Vorwärts-Abwärts – warum der Tiefenwahn?

Woher kommt der Tiefenwahn den wir heutzutage in vielen Reitbahnen sehen? 

Die Pferde werden absichtlich mit der Nase soweit wie möglich nach unten geritten und dort gehalten, teilweise dorthin gezwungen.

Die korrekte „Vorwärts-Abwärts“ Haltung entstammt der HDV 12 und zeigt die „Haltung der jungen Remote beim ersten Anreiten“.

Wichtige Komponenten der Haltung – Das Genick bleibt höchster Punkt und die Nase ist maximal auf Höhe des Buggelenks.

Vor allem junge Pferde neigen dazu die verlorene Effizienz ihres Körperschemas durch Hochnehmen von Kopf und Hals zurückzuerlangen.

Der erfahrene (!) Reiter/Ausbilder der diese Pferde zuerst „anreitet“ soll die in der Grafik gezeigte Haltung anstreben – und aus dieser die weitere Ausbildung des Pferdes entwickeln.

Die Grafik zeigt übrigens die tiefste (!) Kopf-Halshaltung der Pferde in der HDV12. Und nebenbei eigentlich auch so ziemlich die tiefste Kopf-Hals Haltung bei Pferden in der Reitliteratur bis zur HDV12. Nie zuvor wurden Pferde absichtlich „tiefer“ geritten – zumindest bei den angesehenen Vertretern der Reitkunst-Literatur.

Wichtig ist es hier auch noch einmal zu unterstreichen und zu lesen:

 – die Haltung der JUNGEN(!) Remote beim ersten Anreiten

 – Haltung der jungen REMONTE(!) beim ersten Anreiten

 – Haltung der jungen Remote BEIM ERSTEN(!) Anreiten

Die im Verlauf der Ausbildung angestrebten “Haltungen” des Pferdes sind anschliessend “höher”.

Aus einer meist zu hohen Kopf-Halsachse sollte die “natürliche” Haltung des Pferdes (siehe Grafik – Haltung der jungen Remonte beim ersten Anreiten” erlangt werden.

Dazu auch interessant einmal die Original Zeilen zu lesen:

Und Heute? Tiefenwahn

Über die Jahre haben die Reitlehrer, Ausbilder, Trainer und damit auch die Reiter die Sehgewohnheiten auf ein absolutes Extrem angepasst.

Durchweg alle Pferde werden mit dem Genick weit unter dieses „Ideal“ der HDV geritten – das Genick ist tiefer als der Widerrist, die Nase damit tiefer als das Buggelenk und oftmals ist auch die Nase hinter der Senkrechten.

Das Problem ist dabei nicht(!) das Pferde für kurze Zeit diese Position eventuell selbst einnehmen, sondern dass die Pferde für längere Zeit dort gezielt gehalten werden.

Wie Paracelsus uns aber schon riet

„Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift; 

allein die Dosis macht, dass ein Ding Gift ist.“

Wo ist das Problem?

Die Pferde sind von Natur aus Vorhandlastig – durch das Reitergewicht wird diese Problematik (für das Nutzen als Reitpferd) erhöht. 

Durch das Reitergewicht wird die Arbeit des Schultergürtels eingeschränkt (Der Widerrist kommt zwischen den Schultern tiefer) und die Effizienz der Sehnen/Faszien wird eingeschränkt – Der Katapulteffekt in diesen Strukturen, der für ein langes Laufen ohne Energieverlust verantwortlich ist, kann nicht arbeiten.

Das heisst Muskeln müssen nun übernehmen, was eigentlich andere Strukturen leisten. Die unteren Strukturen im Bereich der Fesseln und Hufe werden vermehrt belastet.

Das Fluchttier Pferd verliert seine Balance und „Effizienz weglaufen zu können“ – die Angst hinter dieser Erkenntnis dürfte größer sein, als der vielgeprisene „Raubtier“ Mensch auf dem Rücken.

Die Pferde werden nun bei steigendem Tempo „unbequem“ – je weniger Katapulteffekt, um so mehr wird es unangenehm im Sattel „Auszusitzen“.

Um dem entgegenzuwirken und das Pferd „trotzdem“ weiterzubewegen, wird nun Leicht-getrabt, oftmals sogar das Tempo erhöht.

Ein Pferd was nun eigentlich nicht traben sollte/würde – wird dazu gezwungen zu traben.

Sobald ein Pferd in der Natur zu viel Muskelkraft in der Bewegung einer Gangart benötigt ändert es aber normalerweise einfach die Gangart (!) – es würde nun also eigentlich angaloppieren,

Das korrekte Leichttraben hindert das Pferd allerdings sehr effizient daran anzugaloppieren (auch dafür wurde es im Abteilungsreiten eingeführt). Das Pferd KANN schlichtweg nicht angaloppieren. Und wird dazu gezwungen Muskelkraft zu nutzen, Energie zu verbrauchen.

Je länger diese „Belastungsspitzen“ andauern, um so mehr ist dies für den Körper ein Trainingsreiz und der Körper muss sich „umbauen“.

Der Schultergürtel wird dabei fester – die Schultern werden quasi festgehalten – die Vorderbeine verbleiben länger unter dem Pferdeleib. Der Federmechanismus des Schultergürtels geht verloren. Das Pferd kommt vermehrt auf die Vorhand und verliert noch mehr Effizienz. Über die Jahre werden viele dieser Pferde rückschrittig. Die Gangmechanik der Vorhand passt sich nun der Belastung an – Es kommt zu einer Veränderung im Verhältnis von Protraktion und Retraktion.

Die zu tiefe Kopfhalshaltung führt ferner zu einer Überdehnung des Nackenstrangs – Teile des Nackenrückenbandes. Bei manchen Pferde kommt es gar zu Arthrosen und Rupturen am Hinterhauptansatz des Nackenstrangs. (Selbstverständlich als Langzeitschaden bei extremer Be-Nutzung solcher Haltungen – nicht bei kurzzeitiger Einnahme der Haltung und ohne Zügelzug).

Die permanent tiefe Haltung senkt den Brustkorb zwischen den Schultern herab – damit auch den Übergang von Brustwirbelsäule und Halswirbelsäule – den sogenannten CTÜ. Pferde die anschliessend den Kopf aber wieder hochnehmen sollen bekommen nun in diesem Bereich Probleme.

Auch hier kann es als Langzeitschäden zu Artrosen und Veränderungen kommen. Die Betonung liegt auf „Langzeitschäden“, vor allem wenn Pferde in sehr jungen Jahren so extrem in die tiefe gezwungen werden.

Noch einmal sei hier Paracelsus zitiert:

„Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift; 

allein die Dosis macht, dass ein Ding Gift ist.“

Dies sind nur auch nur einige mögliche Effekte – und natürlich sind viele weitere Komponenten betroffen -> man muss immer das ganze Pferd betrachten.

Sich nicht an dem Tiefenwahn zu beteiligen heisst übrigens Pferde in eine für sie individuelle korrekte Kopf-Hals-Haltung zu bringen – nah an dem „Vorwärts-Abwärts“ Ideal der HDV 12.

Es heisst nicht „einfach laufen lassen“ und die Pferde mit weggedrücktem Rücken und hochgenommenem Kopf und Hals durch die Bahn zu jagen.

Das heisst aber nicht dass Pferde den Kopf nicht kurzzeitig tiefer nehmen können – man muss nur darauf achten „warum“ und wie lange.

Das heisst nicht dass man nicht für „kurze“ Zeit auch mal Leichttraben darf – man muss sich nur bewusst sein, dass man dies nun für „SICH“ macht – und nicht fürs Pferd – es gilt schnellstmöglich in der jeweiligen Gangart die Effizienz der Bewegung zurückzufinden oder gemäß der Pferdenatur die Gangart zu wechseln (in diesem Fall ist ein Gang runter meist das effizientere)

Die anschliessend aus einem korrekten „Vorwärts“ entstehende Aufrichtung entstammt übrigens der aus der Hinterhand über die Brustwirbelsäule weitergeleiteten Energie der Hinterhand. Diese entlastet auch die Vorhand und verhilft ihr zur besseren und korrekten Effizienz der Arbeit von Faszien/Sehnen und Entlastung der Muskulatur. Die korrekte Aufrichtung führt über die Hankenbeugung und nicht über aktives Hochhalten von Kopf und Hals – anders schlecht ist nicht besser.

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