Wann wird eigentlich Reiten zur Kunst?
– und muss Kunst zwingend einen hohen Anspruch haben,
ist sie gar wenigen vorenthalten sie zu erschaffen?
In Zeiten vor und nach de la Gueriniere hatte die Reiterei vor allem der Kriegsführung zu dienen –
sie war Mittel zum Zweck und der Zweck heiligte die Mittel, wie ein altes deutsches Sprichwort sagt.
Dennoch gab es immer wieder Reiter, welche sich mit der Reiterei nebenher als Kunstform, befassten.
Während des Barocks hatte diese Betätigung sogar Hochkonjunktur, man ritt l’art pour l’art – Kunst um der Kunst willen.
Doch wo lag und liegt die Kunst in der Reiterei? Wie wird man Reitkünstler?
Braucht es dazu ein iberisches Pferd und Feder geschmückten Hut?
Keineswegs – denn die Reitkunst unterscheidet sich von anderen bildenden Künsten darin, dass nicht das entstandene Werk am Schluss die Kunst darstellt, sondern wenn man so will, der Weg das Ziel ist.
Die Kunst in der Reiterei ist so vergänglich wie kaum ein Werk anderer Künste – es entsteht durch das sich bewegende Pferd – nicht der Reiter im Sattel wird zum Mittelpunkt der Betrachtung des Kunst konsumierenden Zuschauers – sondern einzig das Pferd.
Wer sich also mit der Reiterei als Kunstform (bildende Kunst) befasst, der reitet, um sich und sein Pferd zu „bilden“ – weiter zu entwickeln – Eine Entwicklung mit maximal einem Anfangspunkt, mit Sicherheit keinem Endpunkt, wobei der Anfangspunkt aber frei zu setzen ist.
Es geht nicht um Alter oder einem subjektiven Leistungsstand.
Es geht also nicht um Niveau im sportlichen Sinne, im Vergleich zu anderen, sondern Niveau, lediglich im Sinnbild von „niveauvoll“.
Niveauvoller Umgang bedarf an Manieren und Umgangsformen.
Das Pferd wird zur Hofdame – der Reiter zum werbenden Prinzen.
Dabei kommt es darauf an, nicht nur der Dame den Hof zu machen, sondern ihr geschicklich Gutes angedeien zu lassen, sie im bestmöglichen Lichte des Moments „erstrahlen“ zu lassen.
Nun wählt jeder Prinz seine Herzensdame anders – so ist also die Kunst in der Reiterei nicht einer Pferderasse vorenthalten – sondern eine jede hat die Möglichkeit und auch das Recht im Auge des sie umwerbenden Prinzen (Reiters) zu „erstrahlen“.
Ein Erstrahlen kann aber nicht erzwungen werden –so kann eine zwanghafte Vorgabe von Bewegungen, Figuren und Tempi nicht in eine Kunst führen.
In der Kunst wird das Pferd zum Partner, ein Partner der erhört werden will – Lektionen haben einen Zeck – aber sie müssen „erfragt“ werden.
Ob Reiten zur Kunst wird, das entscheidet das Pferd – kein Richter, kein Zuschauer.
Ein Reiten im Wettbewerb wird nicht von Pferden bewertet – und im sportlichen Vergleich ist es oft schnell wie im Krieg – der Zweck heiligt die Mittel – So verbietet es dem Reitkünstler auch des sportlichen Wettbewerbs und so kann Reitkunst auch nicht im Sport zu finden sein.
Kunst wird also nicht durch Kleidung definiert, durch Reitweisen oder Lektionen – es geht nicht um Piaffen oder Galoppwechseln, es geht um das Reiten selbst – eine Fortbewegung gleich des Tempos oder der Gangart.
Der Reiter wird zum Künstler, wenn das Pferd zur Hofdame erstrahlt und zum Tanze bittet.
Wer als Zuschauer genau hinsieht – der wird Kunst erblicken – leider viel zu selten.