Grundsätze des feinen Reitens – Lob durch Beenden

Lob durch Beenden – Pädagogisch wertvolle Arbeit mit dem Pferd

In der Reiterei wird heute der pädagogische Ansatz zur Erklärung von Hilfen an das Pferd und der Wille diese stetig “abzurüsten” – sie zu Verfeinern, sie gar Auszulassen, vergessen. Viele Reiter verstehen Hilfen als eine “technische” Lösung, dazu ein Pferd etwas “machen” zu lassen. 

Sie fragen viel zu häufig nach dem “wie” – ohne danach zu suchen was das Pferd versteht, was es schon verstanden hat, ja ohne das Pferd überhaupt “zu fragen”. Man vertieft sich in technische Anweisungen, wo man zu sitzen hat, welcher „Sitzknochen“ zu belasten ist und wann eine Parade gegeben werden muss, wann getrieben werden muss – und nur dann kommt dann “unten” z.B. ein Schulterherein heraus.

Allein der Diskurs darüber, ob man nun innen oder außen sitzen „muss“ kann wahre Zankereien auf der Stallgasse hervorrufen.

Liest man die alten Meister und auch die HDV gründlich, so entdeckt man jedoch wichtige “pädagogische” Anweisungen für die tägliche Arbeit mit dem Pferd.

Ein wichtiger Aspekt ist meines Erachtens das sofortige, also umgehende Beenden einer Lektion, gar der gesamten Einheit nach einem guten Ergebnis, um dem Pferd unmissverständlich klar zu machen -“DAS” war das was ich mir vorstelle. Das größte Lob ist das Beenden der Arbeit.

Ungeachtet übrigens der Zeit die man bereits in der Bahn verbracht hat.

Dazu zwei Beispiele aus der Literatur

“Der Reiter regt das Pferd durch stärker vortreibende Hilfen zu lebhafterem Treten an. Die Zügelhand verhindert durch halbe Paraden,… ein Fortstürmen des Pferdes… und veranlasst es sich zu versammeln. 

Man muss dazu streben, mit möglichst schwachen Hilfen auszukommen.

Fortgesetzt gleichmäßige Hilfen stumpfen das Pferd ab.

Sobald das Pferd willig mitarbeitet, hört man auf und lobt das Pferd. 

Auf diese Weise erzieht man Pferde, die schon auf leichte Hilfen lebhaft treten.“

HDV 12, 1912

Während der erste Teil des Zitats noch sehr „typisch“ technisch ist und den meisten Reitern aus dem Unterricht bekannt sein dürfte, so ist es doch der zweite Teil, der unerwartete und meiner Meinung nach „pädagogisch“ viel wertvollere Teil.

„Fortgesetzt gleichmäßige Hilfen stumpfen das Pferd ab.

Sobald das Pferd willig mitarbeitet, hört man auf und lobt das Pferd.“

Ein jeder Reiter der dauerhafte Hilfen einsetzt (z.B. permanentes Einwirken mit den Schenkeln) sollte diese direkt einmal überdenken. Ferner und viel wichtiger die Frage: Traust Du dich nach 5 Minuten bereits die Bahn zu verlassen, weil du bereits eine Verbesserung der Lektion erreicht hat, an der Du heute arbeiten wolltest?

In vielen Reitbahnen – > undenkbar (!) – ein Pferd ist ja nach 5 Minuten nicht „gearbeitet“. Oder?

Werfen wir einen Blick auf ein weiteres Zitat – von einem sehr unterschätzten Reitmeister – dem Duke of Newcastle:

„Geduld ist eines der Geheimnisse bei der Pferdeausbildung.

Es ist wahr, dass Geduld ohne Wissen niemals erfolgreich sein wird, 

ebenso wie Wissen ohne Geduld selten zum Erfolg führt.”

„Unter allen Liebes-Bezeugungen die man einem Pferd erweisen mag, bringt nichts so viel als das Absteigen.

Es wird ein Pferd jener Unterweisung am längsten eingedenk sein, die man ihm im Augenblick vor dem Absteigen gegeben hat.“

Duke of Newcastle

Der Duke of Newcastle wird leider zu oft auf die „angebliche“ Erfindung des Schlaufzügels reduziert. Ferner ist er zugegebenermaßen in seinem Werk nicht zurückhaltend mit eigenen Lobeshymnen und Prahlerei – dennoch findet man einige interessante Stellen in seinen Texten, wie eben die zuvor zitierten Zeilen.

„Unter allen Liebes-Bezeugungen die man einem Pferd erweisen mag, bringt nichts so viel als das Absteigen“

In diesen Worten steckt eine Mini-Reiltehre, bzw. eine der wertvollsten pädagogischen Anweisungen zum Umgang mit dem „denkenden Wesen“ Pferd. Es ist nicht die Technik, die einem Pferd beibringt, was eine gute Hilfe ist, sondern die Arbeit mit dem Geiste, mit dem Verstand und mit Lob. Die Grundeinstellung positive Ergebnisse zu erzielen und allerkleinste Anzeichen bereits durch „Beenden“ der Einheit zu loben.

Liest man heutige Reitliteratur aus dem Regal der Sportreiterei so wird man oft eine ähnliche, jedoch im Kern gänzlich unterschiedliche Ideologie vorfinden.

Es ist das Streben danach „mit etwas Gutem aufzuhören“. Ist das nicht das Gleiche? Werden nun einige fragen – mitnichten.

Gepaart mit dem „Trainingsgedanken“, also der Vorstellung, dass eine Einheit nur dann wertvoll ist, wenn man eine gewisse Distanz zurückgelegt hat, ein gewisses „Programm“ durchgeritten hat, Kraft aufgebaut hat, Schweiß sich gebildet hat, man mindestens 45-60 min. „gearbeitet“ hat  – veranlasst es die meisten Reiter „nach“ dieser Zeit – am Ende danach zu suchen „etwas Gutes“ zu erreichen um „dann“ aufzuhören.

Man „arbeitet“ also zuerst die „vorgeschriebene“ Zeit, mit vielen guten und schlechten Lektionen – ist man mit dem geleisteten „insgesamt“ zufrieden beendet man die Einheit – denn sie war ja „insgesamt“ gut. War die Einheit hingegen schlecht – oder hat man sich an einer Lektion die nicht gelingen will „festgebissen“, dann arbeite man noch länger an dieser Lektion, bis sie „gut“ wird, um die Einheit beenden zu können – schliesslich soll man ja mit „etwas gutem“ aufhören. Oder man macht nach völliger Frustration bei Pferd und Reiter eine andere Lektion – die auf jeden Fall gelingen wird – in der Hoffnung „dann“ mit „etwas Gutem“ aufhören zu können.

Die oben zitierten Absätze der HDV 12 und des Duke of Newcastle haben im Kern wie gesagt eine andere Aussage: sie empfehlen die Einheit in dem Moment zu beenden, in dem ein Ergebnis gut war – und zwar als größtmögliches Lob.

Dieses Lob – das Absteigen/das Beenden der Einheit, kann bei einigen Pferden ein noch viel größeres Lob hervorbringen als jedes Super-Leckerchen. Es ist ein Lernverstärker.

Das bedeutet in der Tat, dass man auch den Mut haben muss, Einheiten nach nur 5 Minuten zu beenden – weil z.B. das Schulterherein noch nie so gut war wie zuvor, oder halt ein wenig besser war als gestern. Um unmissverständlich dem Puder zu verdeutlichen „Das“ war es was ich wollte.

Diese Vorgehensweise kann der Siebenmeilenstiefel im pädagogischen Miteinander mit dem Pferd sein.