In Deutschland lernt man es von klein auf – es ist auch die üblichste Art der „Fortbewegung zu Pferde“ in fast jeder Reitbahn. Meist schon nach kurzer Schrittphase beginnen die Reiter, gleich jeden Alters, mit dem „Leichttraben“.
Es handelt sich dabei um DIE Basisarbeit der „modernen“ Reiterei. Doch wofür ist diese Basisarbeit nun gedacht? Wofür ist sie Basis? Und hält sie was sie verspricht?
Ziel ist es das Pferd zu „lösen“ und zusätzlich will man das Pferd nicht mit dem Gewicht des Reiters zu belasten.
Konzeptionell soll das innere Hinterbein (man spricht vom „Bein auf welchem man Leichttrabt“) – zum vermehrten Durchschwingen – also Vorgriff angeregt werden.
Und dann stellt sich die Frage – hat diese Art der Fortbewegung in der Dressurausbildung einen Mehrwert?
“Der Grund für einen gestörten Gang ist fast immer ein Zuviel an reiterlicher Einwirkung.”
(Kurt Albrecht, 1983)
Die Verfechter der aktuellen Richtlinien mögen sicherlich aufschreien und sich wundern, wie man „DAS“ Element der Ausbildung von Reiter und Pferd anzugreifen vermag – doch ich möchte provokant in den Raum stellen:
Wer das Ziel hat „fein zu Reiten“, ein Reiten gar als Kunst zu verstehen und, wollen wir das nicht alle: Sich in der Reiterei weiterzuentwickeln, der benötigt das Leichttraben nicht.
Ja, ich bin sogar der Meinung: Es wird ihm sogar eher im Wege stehen und den Pferden nützt es umso weniger.
Wer sich mit seinem Pferd sogar physischen Problemen, wie Verspannungen, Blokaden, oder sogar daraus resultierenden Widersetzlichkeiten, gegenüber sieht, kann oftmals im Leichttrab „eine“ der möglichen Ursachen finden.
Bitte verstehe mich nicht pauschal, denn das soll nicht heißen, dass das Leichttraben keinen Sinn, bzw. keine Daseinsberechtigung hätte – dazu aber später mehr.
Gehen wir zunächst einmal wieder viele Jahre in der Geschichte der Reiterei zurück, zur Blütezeit der Reitkunst. Zu Zeiten des barocken Reitmeisters François Robichon de la Guérinière wurde das Reiten in der Bahn, also die Reitkunst, zum Zwecke des Ausdrucks, als Kunstform, ausgeübt. Reiter und Pferd wurden auf höchstem Niveau ausgebildet.
Einem jedem Reitschüler wurde ein „Schulpferd“, seinem eigenen persönlichem Lernlevel entsprechend, zugewiesen.
So wurde zu Anfangs auf das „Fühlen“ in der Sitzschulung großen Wert gelegt. Dazu setzte man den Schüler auf ein gut piaffierendes Pferd, um ein Gefühl für die höchste Stufe der „Leichtigkeit“ in der Bewegung eines Pferdes zu erhalten. Konnte der Reiter dieses Gefühl in sich vereinen – dann ging die Ausbildung im Trab auf einem ebenso gut ausgebildeten Pferd weiter.
Die Sitzschulung des Reiters wurde ausschließlich im „Aussitzen“ vorgenommen – eine Fortbewegung im Leichttrab gab es zu dieser Zeit nicht.
Wohlgemerkt gehen wir hier von der Ausbildung für Reiter in der „Reitkunst“ aus – für Reiten auf höchstem Niveau (ein Level, dass „theoretisch“ auch der Reitschüler in den hiesigen Reitbahnen irgendwann einmal erreichen soll, zumindest sollte die Basisausbildung den Grundstein dafür legen).
Mit der Zeit wurde vor allem in England das Jagdreiten immer populärer und immer weniger widmete man sich dem Reiten als Kunstform. Die jungen Adeligen waren aber wenig ausgebildet in der Reiterei, darüber hinaus wurde mit dem Aufkommen der Vollblüter als Mode-Rasse ein Typus Pferd genutzt der nicht für seine Versammlungsbereitschaft, sondern für seine Schnelligkeit bekannt war. Um dennoch den hohen Herren eine Teilnahme an Jagden zu ermöglichen, bzw. sie nicht unbequem werden zu lassen, wurde das „englische Traben“ eingeführt – heute in Deutschland als Leichttraben bezeichnet.
Für ambitionierte Dressur-Reiter war eine solche Fortbewegungsart schier verpönt – Noch zu Zeiten Gustav Steinbrechts (* 1808; † 1885),, der Urheber des viel zitierten „Reiten Dein Pferd vorwärts und richte es gerade…“, war es nicht hoch angesehen sich in dieser Art und Weise zu Pferde fortzubewegen.
Zwar findet sich auch bei Louis Seeger (* 1794; † 1865), dem Ausbilder von Gustav Steinbrecht, eine Empfehlung zum „englischen Traben“ – allerdings lediglich in Verbindung mit einem „längeren“ Fortbewegen zu Pferden (Reisen) und ebenfalls empfohlen für Pferde mit Gebäudemängeln „während der Ausbildung“ dieser Pferde.
“Somit ist dieses Traben, bei Pferden mit zu hohen Schulterbewegungen und zu geringer Folge der Hinterbeine angewendet, sehr zu empfehlen.”
Louis Seeger, System der Reitkunst, Seite 380
Es sollte als Alternative zum Knieschluss (da auf Pferden mit schlechtem Gleichgewicht, der Reiter schlecht „Aussitzen“ kann).
In England hatte man in Zeiten vor dem Leichttraben sogar Pferden, die von Damen geritten werden sollten, den Pass als Grundgangart beigebracht, damit sich die Damen bequemer fortbewegen konnten – deshalb waren die englischen Pferde auch nicht sehr gerühmt – ja eher berüchtigt, vermutete man doch, dass sie alle fehlerhafte Gänge – eben den Pass – besitzen würden. Einen ähnlichen Hintergrund haben die American saddlebred Pferde.
Der Grundgedanke des Leichttrabens war es also – dem nicht gut ausgebildeten Reiter-Pferd-Paar ein „Fortbewegen“ – so bequem wie möglich zu gestalten.
In der niveauvollen Dressur – hatte das „Leichttraben“ keinerlei Daseinsberechtigung.
Doch wie kommt es also, dass heute alle Welt in dieser früher so verpönten Art und Weise, wie selbstverständlich in den Vierecken unterwegs ist?
Interessanterweise findet sich der Grund darin nicht in einer nachvollziehbaren Weiterentwicklung der „Reitkunst“ zu höheren Levels – sondern in der Herabsetzung des Niveaus der Kriegsreiterei: auf ein Mittelmaß. Es sollte nicht dazu dienen die Reiterei zu verbessern, sondern ein Grundmaß an Fortbewegung schneller zu ermöglichen.
Die Regimenter wurden immer größer und man musste in immer kürzerer Zeit Reiter und Pferde ausbilden. Dazu wurde, wie bereits zuvor erwähnt, ein anderes Zuchtideal verwendet – nämlich der Vollblüter. Diese Pferde standen nun nicht mehr in der Form eines Quadrates, wie die Barockpferde, sondern in der Form eines Rechtecks und bewegten sich darüber hinaus auch temperamentvoller und schneller.
Auch die Ausbildung der Pferde musste „beschleunigt“ werden (wenngleich diese um „Jahre“ länger dauerte, als wie es heute üblicherweise sehen).
Um aber die Fortbewegung der nur bis zum Mittelmaß ausgebildeten Reiter-Pferde-Paare (für mehr war schlicht und ergreifend keine Zeit) zu gewährleisten wurden die Vorschriften der Kavallerie dies- und jenseits des Rheins (in Frankreich, als auch in Preußen) um das englische Traben ergänzt.
Wohlgemerkt geht es beim Sinn dieser Ergänzung um das „Geländereiten“ – nicht um die höhere Dressur im Viereck.
Die eigentlichen „Bewahrer“ der Reitkunst waren die Offiziere, die sich über dieses Mittelmaß hinaus weiterbildeten und sich auch dem Reiten als Kunstform im Viereck widmeten.
Mit der Zeit wurde das englische Traben natürlich salonfähiger und mit dem Siegeszug der HDV 12 – der Grundlage der Richtlinien, wurde aus einer für das Mittelmaß eingeführten Fortbewegungsart die Grundbewegung zu Pferde.
Starke und oft wiederholte Schläge bringen ein Pferd zur Verzweiflung, machen es lasterhaft, zum Feind des Menschen und der Reitbahn, und berauben es jener Zierlichkeit, die niemals wieder kommt, wenn sie einmal verloren ist. Aus demselbigen Grunde darf man es auch nicht zu lange traben lassen, denn es ermüdet das Pferd, und macht es verdrüßlich; vielmehr muß man es mit derselben Munterkeit, mit der es aus dem Stalle kam, wieder in denselben zurück schicken.
(François Robichon de la Guérinière: Reitkunst)
Verfechter werden nun erneut aufschreien und einbringen, dass das Leichttraben seine Daseinsberechtigung hat und es sehr wohl Sinn machen würde.
Ja und nein soll auch die Entgegnung sein!
Der Grundgedanke des Leichttrabens ist es, das noch nicht gelöste Pferd im Trab in der sogenannten „Lösungsphase“ fortzubewegen und dabei das innere Hinterbein zu aktivieren. Aktivieren heißt in diesem Zusammenhang: es zu mehr Vorgriff anzuregen, um so eine „Lastaufnahme“ zu erreichen, welche bei einer Vorwärts-Abwärts-Haltung des Pferdes einen locker schwingenden Rücken (Losgelassenheit) erreichen „soll“.
Das Leichttraben wird auch empfohlen weil, selbst für geübte Reiter ein „Aussitzen“, auf Pferden die „ungesund“ – nämlich nicht mit Lastaufnahme der Hinterhand, sondern auf der Vorhand laufen, schlichtweg unbequem und sinnlos – fürs Pferd wird es darüber hinaus doppelt ungesund.
Eine Aktivierung des inneren Hinterbeins soll, mittels des inneren Schenkels durch Treiben im Moment des Abfußens, des inneren Pferdebeines erwirkt werden – gleichzeitig ermöglicht soll das Entlasten der Pferdewirbelsäule durch den Reiter ein vermehrtes Vorschwingen dieses inneren Hinterbeins ermöglichen.
ABER, dieses „Entlasten“ soll kein aktives Aufstehen des Reiters, sondern mehr das Mitgehen in der Bewegung und gleichzeitige Ausnutzen des Schwungs des Pferderückens – der Reiter lässt sich quasi leicht „werfen“, um mit dem Aufsetzen des Hinterbeins auch wieder – eins mit der Bewegung, fast ohne Ausübung von Druck auf den Sattel, sanft und dynamisch einzusitzen.
Die Bewegung des Reiter-Oberkörpers gibt daher das Pferd vor, die Bewegung des inneren Hinterbeins des Pferdes der aktive innere Schenkel des Reiters.
Soweit zur Theorie und RICHTIG ausgeführt KÖNNEN einige wenige Reiter in solcher „Perfektion“ leichttraben.
Man muss also sagen – JA – dieses richtig ausgeführte Leichttraben „kann“ durchaus Sinn machen – für erfahrene Reiter auf Pferden, die auf andere Art und Weise nicht gelöst werden können, die z.B. keine Seitengänge beherrschen, oder zu übermütig (nach längerem Boxenaufenthalt) zu schnell unter dem Reiter „wegrennen“ wollen. Oder nach misslungenen Trablektionen, in den das Pferd zu „schnell“ wird und auf die Vorhand kommt.
Oder natürlich für den Reiter im Gelände, der keinen natürlich keinen ebenen Boden vorfindet – wie im Dressurviereck. Die ständige Bewegungsdynamik beim Überwinden der Unebenheiten könnten im Trab nicht durch den Reiter „mitgegangen“ werden.
Aber, was ist mit dem unerfahrenen (bzw. schlecht ausgebildete) Reiter? Fühlt dieser denn genau das „Abfußen“ des inneren Hinterbeins? Hat er dies je gelernt? Fühlt er, ob das Hinterbein mehr Vorgriff hatte? Kann er sich von der Bewegung mitnehmen lassen ohne Druckausübung auf den Sattel? Und wann ist die Zeit gekommen, da das Ergebnis der Fortbewegung wirklich bereit ist für ein „Aussitzen“?
“Lösen dagegen heißt lockern. So wie kein Mensch zum Lockermachen seiner Muskeln eines halbstündigen Waldlaufs bedarf, sondern dies viel besser mit wenigen gezielten Übungen am Platz vermag, wird man auch kein Pferd eine bestimmte Zeit “abtraben” müssen, um es für die Ausbildearbeit vorzubereiten.”
(Kurt Albrecht, 1983)
Schaut man sich die Realität in den Reitbahnen an, so muss die Antwort auf diese, zugegebenermaßen rhetorischen, Fragen klar sein: Nein! Das übliche Leichttraben, welches wir praktiziert sehen, entspricht nicht dem, was wir zuvor beschrieben haben.
Leider entspricht die Ausbildung heutzutage in vielerlei Hinsicht nicht mehr den „Idealvorstellungen“. Im Gegensatz zu den Tagen der großen Lehrmeister im Barock wird der Reitschüler heutzutage nicht auf ein erfahrenes gut ausbalanciertes Pferd in der Piaffe gesetzt, sondern auf ein Pferd das meist viel „erfahren“ hat, sprich „nicht weit ausgebildet“, dafür aber viel „eingesetzt“. Man praktiziert mit dem Schüler, an der Longe, ein zum „Brummkreisel“ geratenes Longentraining, welches nach exakt 10 Einheiten (resultierend aus dem Angebot einer 10er Karte) gleich dem Stand des Eleven erfolgreich beendet ist und der Reiter in die „Gruppenstunde“ entlassen wird.
“Viele Reiter benützen oft ein längeres Abreiten im Leichttraben als Mittel zum Lösen ihrer Pferde. Das ist ein Mittel, dessen Wirksamkeit sehr zweifelhaft ist. Es wird ja auch ein Sportler durch einen Lauf von einigen Kilometern vor seinem eigentlichen Training nicht immer gelöst, hingegen viel eher etwas ermüdet sein. Beide aber – Mensch und Pferd – brauchen für die von ihnen geforderten Leistungen ihre volle Kraft. Aus diesem Grund muß das Lösen des Pferdes – das am Anfang jeder gesteigerten Forderung zu stehen hat – sehr zweckentsprechend und wohl durchdacht vor sich gehen.”
(Alois Podhajsky, 1965)
Das Pferd ist meist ein größeres Warmblut dem Versammlung fremd ist und damit es nicht ganz so „huppelt“ ist es ausgebunden. Schon Müseler empfiehlt nämlich in seinem of verkauften Buch, ein Pferd auszubinden, um das Aussitzen für Reitanfänger zu vereinfachen.
Statt also dem Reitschüler beizubringen, wie es sich anfühlt, wenn ein Pferd voller Stolz, frei im Rücken schwingend den Reiter mitnimmt, wird man auf eine „Nähmaschine“ gesetzt.
Was aber soll man dabei lernen? „Fühlen korrekter Bewegung“ wird man bei dererlei Methodik mit Sicherheit nicht. Schnell lernt man allenfalls einen Knieschluss (den empfahl uns ja Seeger als Alternative zum Leichttraben über kurze Strecken bei schlecht ausbalancierten Pferden), denn viele Pferde sind durch Blockaden, Verspannungen und sicher auch aus Frust, zu „unkontrollierten Raketen“ mutiert, auf denen eher ein Sicherheitsgurt, als ein Knieschluss zu empfehlen wäre.
Was lernt man noch?
Ein leider viel zu verzeichnender Effekt ist, dass viele Reiter im Becken „blockieren“, da sie mit diesen „unkontrollierten“ Bewegungen der nicht „rund“ laufenden Schulpferde, nicht „standhalten“ können. Daher sind sie dankbar für jede Lektion im „Leichttraben“, obwohl Bewegung des Leichttrabens zwar anfangs anstrengend ist, sie aber dem „schmerzenden“ Aussitzen deutlich vorzuziehen ist. (Es gibt übrigens nicht wenige Reiter, ohne weitere Ambitionen im Sport – die gar nicht mehr im „Aussitzen“ Traben. Die Sportbegeisterten nur weil es „dazu gehört“)
Was man definitiv ebenfalls nicht lernt, ist das „Erfühlen“ der Bewegung des inneren Hinterbeins, und zwar des Auffußens und des Abfußens.
Für die Bewegung im sogenannten Leichttrab, wird zwar in der Theorie das Aufstehen auf den Zeitpunkt des Abfußens, des inneren Hinterhufs gelegt in Wahrheit wird aber bei den meisten Reitlehrern auf dem äußeren Vorderfuß „leichtgetrabt“.
Nun wird natürlich oft der „richtige“ Moment verpasst und man so trabt dem Pferd den Takt weg. Der Grund dafür ist, dass das „Einsitzen“, oft eine sehr aktive Bewegung (vor oder hinter der Bewegung des Pferdes) seitens des Reiters ist. Erkennen kann man es daran, dass das Pferd in diesem Moment einen leichten Ruck im Genick macht, weil es selbst durch das „aktive“ druckvolle Einsitzen des Reiters im Rücken einen kleinen Ruck, bzw. „Schubs“ erfährt.
Ein gefühltes Vorschwingen des inneren Hinterbeins ist daher meist blasse Theorie – noch dazu wird dem „aktiven“ Treiben ein besonderer Stellenwert gegeben. Dies geschieht bei nahezu allen zu beobachten Reitern „beidseitig“. Aktiviert werden soll aber nur das innere Hinterbein.
Wenn also der aktive Einsatz des inneren Schenkels zu mehr Vorgriff führt – was macht er dann gleichzeitig auf der anderen Seite? In der bloßen Theorie müsste ein gleichzeitiger Einsatz der Schenkel des Reiters, zu gleichzeitigem vermehrten Vorgriff „beider“ Hinterbeine führen – in der Konsequenz also zur Trab-Courbette (einem versammelten „Springen“ des Pferdes, bei dem es die Vorderbeine in der Luft behält und mit den Hinterbeinen gleichzeitig abspringt) oder etwas ähnlichem.
Wir wissen alle: Dies ist nicht der Fall!
Natürlich gibt es auch „geschickte Reiter“. Und all diesen Reiter die es schaffen „aktiv“ aufzustehen (ich rede nicht von denen die es tatsächlich reel schaffen sich von der Bewegung mitnehmen zu lassen, sondern sich sanft durch die Bewegung des Pferdes „führen“ lassen) und wirklich nur einseitig exakt einzuwirken, OHNE dem Pferd das Gleichgewicht zu rauben, denen sei beglückwünscht, denn sie sind wahre Talente ihrer Körperbeherrschung.
Ich glaube nämlich, dass es nur sehr wenige Leute gibt, die es schaffen, aktiv aufzustehen ohne das Pferd auf die Vorhand zu bringen, bzw. Durch ihre einseitige Belastung das Pferd nicht im Vorgriff des Hinterbeins zu stören.
Dass aktive Aufstehen verleitet, wie bereits erwähnt, den Reiter, als auch in der Konsequenz das Pferd dazu, auf die Vorhand oder aus dem Gleichgewicht, nicht selten beides, zu geraten.
„Reite Dein Pferd vorwärts und richte es gerade…“
Schallt es durch die Reitbahnen der Nationen und der vielfach missverstandene Steinbrechtsche Satz wird dann gerne noch dazu herangezogen, das Tempo der Reitschüler zu erhöhen und die Arbeit vor allem auf ganzer Bahn durchführen zu lassen.
So wird dann im Angesicht des Schweißes wahrer Sport betrieben und die Reitkunst verkommt zur Leibesübung.
Nach einer Viertelstunde – man bemisst ja oft die Lösungsphase in Minuten und nicht am Zustand des Pferdes – wird dann versucht Auszusitzen – nach kurzer Zeit macht dies aber keinen Spaß mehr (das Pferd lässt einen trotz der schweißtreibenden Vorarbeit nicht sitzen) und so widmet man sich dem Galopp.
„Die Übung stärkt die Muskeln, die Übermüdung schwächt sie.“
(aus: Friedrich v. Krane: Anleitung zur Ausbildung der Kavallerie-Remonten, S. 255, (Reprint 1983), 1879).
Warum aber der ganze Aufwand und Schweiß – wenn das Ziel des schwingenden Rückens und Lastaufnahme der Hinterhand nicht erreicht worden ist?
Noch dazu trifft das Problem ja nicht nur auf die unerfahrenen Reiter zu, sondern auch auf die angeblich erfahrenen – aus den unerfahrenen Reitern, wird ja mit großer Wahrscheinlichkeit somit kein wirklich „erfahrener“ Reiter – sondern lediglich: einer mit viel Praxis.
Fragt man diese Reiter, ob sie parallel zur Bewegung beim Aussitzen „ansagen“ könnten, wann der innere Hinterfuss abfusst, wird man erkennen können – es sind nur sehr wenige.
Wer weiterkommen will in der Dressur, kauft daher oftmals ein besser ausgebildetes und auf diese Problematik hin gezüchtetes Pferd für viel Geld und macht mangelnde Ausbildung dadurch wett.
Dieses aufgezeigte Szenario soll nicht die Theorie des Leichttrabens an sich widerlegen, sondern ihren Stellenwert in der Ausbildung von Reiter und Pferd.
Fazit muss aber leider sein: Wenn der Reitschüler nicht lernt zu Fühlen – kann er auch nicht reiten!
Ein guter Reiter kann bei einem gut ausgebildeten Pferd den Punkt bestimmen, an dem der innere Hinterfuß auftreten soll – mehr vorwärts, mehr innen mehr Außen. Sind Reiter und Pferd entsprechend fortgeschritten in der Ausbildung kann er bestimmen, ob das Bein früher oder später abfussen soll.
Bitte verstehe mich nicht falsch: Einfach Aussitzen statt Leichttraben, auf dem immer noch ungesund laufenden Pferd ist KEINE Alternative.
Wer nun aber das Problem seines Ausbildungsstillstandes (und das des Pferdes) ad acta legen möchte, sich fragt, wie er die Rückenschmerzen bei Reiter und Pferd präventieren kann, der sollte sich vom Leichttraben verabschieden, zumindest in der Reitbahn, und zurückkehren an die Basis der Ausbildung (dies gilt meist fürs komplette Team: dem Reiter und dem dazugehörigen Pferd):
Wichtig ist vor allem als Reiter zu fühlen, wann das Pferd „wie“ tritt. Dazu ist es erforderlich zu wissen (zu Fühlen), wann das innere Hinterbein abfußt.
Exakt in diesem Moment muss dieses Hinterbein aktiviert werden, durch sanfte impulsartige Einwirkung mit dem inneren Schenkel. Das Ganze muss man zunächst im Schritt durchführen, bis sich Reiter und Pferd einig sind, der Reiter also den Zeitpunkt fühlt und das Pferd den inneren Schenkel auch annimmt.
Zur Not muss man sich helfen lassen: Lass sich jemand in den Zirkel stellen und Dir zurufen, wann dein Pferd abfusst – so kannst Du in diesem Moment einen Impuls geben. Übe dies so lange, bis Du gedanklich immer richtig liegst und weißt wann das Pferd abfusst. Dann tauschst Du die Ansager-Rolle und lässt selbst verlauten, wann das Pferd abfusst. Dein Helfer sollte Dich nun überprüfen und gegebenenfalls korrigieren.
Wichtig ist allerdings eben auch, dass das Pferd diesen Schenkel annimmt – es muss auf diesen kleinen Impuls hin reagieren.
Festes Anschlagen mit dem Schenkel oder gar der Einsatz von Sporen bringt gar nichts, es zeigt lediglich, dass etwas bei der Ausbildung des Pferdes falsch gelaufen ist, oder das Pferd mittlerweile seine „Ohren auf Durchzug gestellt hat“. Bezüglich der weiteren Verfahrensweise heißt es in diesem Fall: einen Schritt zurück in der Pferdeausbildung und vom Boden aus „neu“ erarbeiten.
Übertreten lassen an der Hand bzw. Handarbeit in den Seitengängen sind Übungen die genau das richtige Mittel sind sind. In diesen Lektionen kannst Du Wert auf den korrekten Vorgriff des inneren Hinterbeins legen und im Moment des Abfußens dann die Hinterhand aktivieren (z.B. mit der Hand in Schenkellage und/oder mit Touchiergerte am inneren Hinterfuss).
Klappt das mit feinem Impuls, kann man wieder in den Sattel. Trotzdem sollte man ruhig aber die Handarbeit parallel weiterentwickeln und z.B. immer ein paar Minuten vor dem Aufsteigen am Boden arbeiten und das Pferd so lösen. Das ist besser als das Marathon-Leichttraben-Auf-Der-Vorhand-bis-alle-schwitzen und führt WIRKLICH zu besseren Ergebnissen.
Hat man die Aktivität des inneren Hinterbeins bei „einmaligem“ Anlegen des Schenkels erreicht – was dann? Dann muss man unbedingt Aufhören zu treiben (Aussetzen der Hilfen).
Denn Dein Pferd kann wunderbar alleine laufen – und soll dies auch tun. Auf der Weide läuft ja schließlich auch nicht immer jemand neben dem Pferd her, um es per „Stoss“ in der Schenkellage vorwärts zu treiben – oder?
Die meisten Reiter bringen sich nämlich, durch ihr aktives Treiben, selbst und damit anschließend auch das Pferd aus dem Gleichgewicht.
Unsere Hilfe hat also ihr Ziel erreicht,wir haben den Vorgriff des inneren Hinterbeins erreicht, also überprüfen wir zunächst beim nächsten Tritt, ob das Pferd die vorgegebene Taktung beibehält, alles andere ist Job des Pferds.
Der Vorteil für den Reiter: er kann sich nun komplett auf sich und die Bewegung des Pferdes konzentrieren.
Erst wenn die Bewegung wieder „unrund“ wird, dann muss erneut die Hilfe einsetzen, sprich es muss mit einer “Hilfe” geholfen werden.
“Hilfe” ist nur Hilfe, wenn sie auch hilft – ansonsten geht doch die Eindeutigkeit unserer Anweisung (Hilfe) im Stakkato ihrer Wiederholung völlig unter.
Die meisten Pferde werden daher sehr unsensibel, nahezu taub, “auf den inneren Schenkel”.
“Sprechen Sie griechisch? Nein ? – ok! Würde es helfen wenn ich Sie auf griechisch anschreien würde?
Jean-Claude Racinet, auf einem Seminar, zur Erklärung, dass Hilfen die vom Pferd nicht verstanden werden, weder in der Intensität erhöht, noch wiederholt werden müssen
Viele Reiter werden am Anfang sehr unsicher, weil man sie ihrem gewohnten Bewegungsmuster (dauerndes Treiben) beraubt, wenn man das Treiben nur noch für das Wechseln in eine höhere Gangart oder eben das einmalige Erzeugen eines Vorgriffs der Hinterhand einsetzen lassen – die übrige Zeit soll das Bein locker herunterhängen.
Das gibt sich aber schon nach kurzer Zeit – viel schneller gewöhnen sich übrigens die Pferde an diese „entspannte“ Stimmung und bemerken recht schnell, dass es ihr Job ist sich um die Aufrechterhaltung der Gangart zu kümmern.
So wird man auch schon nach kurzer Zeit bemerken – Leichttraben wird gar nicht vermisst – und Reiter und Pferd entwickeln sich stetig weiter und verwachsen erstmals zu einer Einheit.